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Wassermühle

Aus der Frühzeit der Stadt Frankenberg ist wenig schriftliches überliefert. Viele der hier gemachten Angaben sind dem 1936 erschienenen heimatkundlichen Werk Max Kästners entnommen, der dort jedoch selten auf historische Quellen verweist.[1] Erschwerend kommt hinzu, dass viele Stadtbrände, besonders der große Brand von 1788 viele historische Akten, Urkunden, Briefe u.a. unwiederbringlich vernichtet haben.

Laut Max Kästner soll es bereits im Jahr 1300 zwei Mühlen in der Stadt gegeben haben. [2] Als vermutlich älteste noch erhaltene Quelle kann das markgräfliche Zehntverzeichnis aus dem Jahre 1349 herangezogen werden. Dort wird ein Theodericus Küncke unter anderem als Eigner mehrerer Mühlen erwähnt.[3] Kästner vermutete die bereits 1614 wieder geschlossene Untermühle im Bereich der Badergasse 7. Die Obermühle am Mühlgraben 6 gelegen, wurde bis in das 20. Jahrhundert hinein als Stadtmühle betrieben. Zu ihr nennt Kästner einige historische Fakten. So soll sich bereits ab 1400 in ihr auch die Walkmühle der Tuchmacher befunden haben. Aus dem Jahre 1444 ist eine Beschwerde der Tuchmacher über den hiesigen Müller an den Lehnsherr Hans von Schönberg belegt. Ab diesem Zeitraum wurde ein zweites Mühlrad zum Betrieb der Walkmühle errichtet.[4] In den darauffolgenden Jahrhunderten scheint die Mühle weiter zu verwahrlosen. Im Jahre 1705 erklärten sich die Zeugweber bereit, die Walkmühle der Tuchmacher zu übernehmen, wiederherzustellen und einen Walkstock für die Gerber einzubauen. 1711 wurde dazu die Genehmigung erteilt.[5]

Im Jahr 2011 wurden die Gebäude der ehemaligen „Alten Reißerei“ sowie die bereits baulich stark veränderte Obermühle abgerissen. Im Zuge dessen kam es zu baubegleitenden Ausgrabungen durch das Landesamt für Archäologie Sachsen. Diese wurden vor Ort vom Verfasser durchgeführt. Im Rahmen der parallel dazu erfolgten Quellenrecherchen im Frankenberger Stadtarchiv wurde eine im Jahr 1868 angelegte Brandkatasterakte heranzugezogen. Aus demselben Jahr waren auch erste Umbauarbeiten an der Obermühle nachweisbar, so dass anhand der zu diesem Zweck angefertigten Zeichnung der Bauzustand des Jahres 1868 abgreifbar war. Mit diesen Angaben konnte ein Grundriss- und Fassadenplan rekonstruiert werden, der den ursprünglichen Bauzustand wiedergibt. Die darin verzeichneten Grundmauern sind zudem archäologisch nachgewiesen. Aus Bauplan und archäologischer Untersuchung kann für die Obermühle daher ein Grundriss von 11 x 8,4 m angenommen werden. Die Raumaufteilung im Erdgeschoss bestand wohl aus zwei Wohnräumen im Nordwesten. Im hinteren der beiden Zimmer lag vermutlich die Küche, was durch ein archäologisch nachgewiesenes Backofenfundament bestätigt wird. Im Südosten des Gebäudes lag der 6,7 x 8,4 m große Maschinenraum für die Mühlentechnik. Das Mühlrad befand sich ursprünglich an der nordöstlichen Längsfassade. Das Mühlengebäude war dreistöckig. Während die unterste Etage aus Natursteinmauern aufgebaut war, bestehen die oberen beiden Etagen aus Fachwerk.

Ein weiterer archäologischer Befund, der zur ursprünglichen Mühle gehört haben könnte, ist ein Nordost-Südwest orientiertes Natursteinfundament, das unter dem Fußboden des Maschinenraumes der jüngeren Mühle zum Vorschein kam. Darauf befanden sich teilweise noch Ziegelsteinlagen des aufgehenden Mauerwerkes. Ungefähr in der Mitte des Befundes wurde ein quadratisches Fundament aus Porphyrtuffquadern mit ca. 80 cm langen Seitenlänge angetroffen. Dabei könnte es sich um den Standort des Mahlwerkes gehandelt haben.

Unter der abgehobenen modernen Bodenplatte des Maschinenraumes wurde eine Auffüllschicht angetroffen, in dem Keramikscherben, die vom 14. bis in das 19. Jahrhundert datieren, lagerten. Das Fundmaterial liefert ein wichtiges Indiz für das ursprüngliche Alter der Mühle.

Interessant ist auch ein Anbau, der bereits im Jahre 1868 im Nordosten der Mühle verzeichnet ist. Dieser beherbergte offenbar eine Schermaschine. Mit diesem Gerät wurde die Oberfläche des gewalkten Tuchs geglättet, in dem die Härchen auf gleiche Länge geschnitten wurden und zur Stoffveredelung diente[6].

Eine einschneidende Umbaumaßnahme stellt die Verlegung des Mühlgrabens dar. Anhand der alten Stadtpläne konnte nachgewiesen werden, dass der Mühlgraben zwischen 1874 und 1885 bereits südöstlich der Obermühle umgelegt wurde. Ab diesem Zeitpunkt betrieb das Wasser des Mühlgrabens ein oberschlächtiges Mühlrad an der Südostfassade. Die beiden Mühlräder an der nordöstlichen Traufseite des Gebäudes wurden anscheinend in diesem Zuge rückgebaut. Der Mühlgraben wurde unterirdisch unter der „Alten Reißerei“ in den Mühlbach abgeleitet. Ein archäologischer Schnitt konnte den ehemaligen unterirdischen Verlauf des Kanals belegen.

 

Silvio Bock

 

Quellenangaben:

Literatur:

Max Kästner, Aus dem Leben einer kleinen Stadt (Frankenberg/Sa. 1938).
Silvia Radziwill, Die Textilgeschichte Frankenbergs (Erfurt 2007).
Hans-Dieter Langer, Die Untermühle von Frankenberg (unpubl. Skript).
Hubert Ermisch (Hrsg.), Urkundenbuch der Stadt Freiberg in Sachsen. CDS II 12 Nr. 94, (Leipzig 1883), 71-72.
Silvio Bock, Grabungsbericht Frankenberg „Alte Reißerei“ FR-03 (unpubl. Skript).



[1] Kästner, 1936, vgl. Langer unpubl.

[2] Kästner 1936, 36.

[3] Ermisch 1883, 71f: „Item Theodericus Küncke cum suis fratibus habent a domino in civitate Frankenberg VIII talenta reddituum super molendinis et ibidem jus patronatus ecclesie, allodium, prata, nemus, piscariam et unum substitutum.“ Bei dem Wort molendinis handelt es sich um eine Pluralform des Wortes molendinum (Mühle). Damit muss es sich um mehr als eine Mühle gehandelt haben.

[4] Kästner, 1936, 36f.

[5] Radziwill 2007, 17.

[6] Grünb., 1879: s. V. Tuch, in: Meyers Konversationslexikon, Bd. 15, Leipzig 1889, 896.

 

Kunst: Tobias Michael, Lauter-Bernsbach, „WASSER-KRAFT-MÜHLEN-TECHNIK“, Eiche, 2019